Gestern hatte ich in Teil 1 Tipps zum richtigen Kamerakauf gegeben, heut’ kommen wir zu den Objektiven und welche Brennweiten-Bereiche sinnvoll sind.
I had a dream!
Ja, als ich jung war träumte ich: Davon, alle Brennweiten mein eigen zu nennen, sie zu besitzen und zu benutzen! Leider bin ich nicht mit dem Silberlöffel im Mund zur Welt gekommen! So musste ich bei meiner ersten eigenen Kamera mit einem Normalobjektiv klarkommen. Ich weiß also nur zu gut, was gerade in deinem Kopf vorgeht, wenn du an den Ausbau deiner Kameraausrüstung denkst. Und auch, warum gerade die vielen verschiedenen Brennweiten-Bereiche dich ins Grübeln bringen.
Aber du bist in bester Gesellschaft: Einsteiger in die Fotografie denken häufig, dass sie Objektive mit Brennweiten von 8 – 600 mm oder mehr besitzen müssten. Dem ist nicht so!
In Wirklichkeit sprechen gegen diese “Denke” zwei ganz handfeste Fakten:
- Es ist absolut nicht notwendig, den gesamten Brennweitenbereich lückenlos abzudecken.
- Ein Fotograf braucht keine extremen Brennweiten, um tolle Fotos zu machen.
Schauen wir uns also an, welche Kriterien für den Objektivkauf wichtig sind, welche Brennweiten du wirklich benötigst und auf welche du verzichten kannst.
In diesem Artikel nenne ich alle Brennweiten für das verbreitete APS-C-Format. Ganz unten im Fazit nenne ich dann aber noch, welche Brennweiten bei den anderen Sensorformaten sinnvoll sind, ok?!
Du brauchst nicht jeden Millimeter!
Fakt ist, du brauchst niemals jeden Millimeter Brennweite. Es ist sogar sinnvoll, bewusst Lücken in den Brennweiten-Bereichen zu lassen.
Wenn du wirklich versuchen solltest, den gesamten Brennweiten-Bereich vom Fisheye bis zum extremen Teleobjektiv abzudecken, wirst du vor eine echte Herkules-Aufgabe gestellt: Nämlich doppelt so viel Equipment mit dir zu tragen, wie nötig. Nebenbei bedeutet dies auch noch, dass du viermal öfter Objektive wechseln wirst, anstatt Fotos zu machen. Klingt das sexy?! Neeee!
Tatsächlich ist es ganz einfach, einige Schritte vor oder zurück zu gehen, anstatt wegen einigen Millimetern Brennweite ein Objektiv zu wechseln.
Deshalb hier meine Empfehlung: Versuche nicht ein Set von Zooms mit zu jedem Shooting zu bringen, wie zum Beispiel ein 10 – 20 mm (Superweitwinkel-Zoom), dann ein 17 – 55 mm (Universal-Zoom) und schließlich noch ein 55 – 300 mm (Telezoom). Selbst wenn du all diese Brennweiten besitzt, könntest du durchaus das 17 – 55 mm zu Hause lassen und stattdessen nur eine 35 mm Festbrennweite einpacken. Zusammen mit den beiden anderen Zoomobjektiven hast du praktisch alles, was du benötigst.
Auch wenn du ausschließlich Festbrennweiten besitzt, brauchst du nur drei Objektive: Ein Weitwinkel, das Normalobjektiv und ein leichtes Tele sind meist alles, was du benötigst. So machst du mehr Fotos, anstatt dich mit ständigen Objektivwechseln zu beschäftigen.
Weniger ist also mehr: Weniger Optionen bedeutet tatsächlich, dass du mehr fotografierst, mehr Bildkontrolle betreiben kannst und so letztendlich das Optimum aus deinem Motiv herausholen kannst. Und das alles, ohne dich allzu sehr um deine Kameratechnik kümmern zu müssen.
In der Praxis reicht für die allermeisten Menschen ein Universalzoom (17 – 55 mm) aus. Vom Weitwinkel über die Normalbrennweite bis hin zum leichten Tele hast du so alles bei dir und kannst etwa 80 % aller Motive damit fotografieren. Bist du zusätzlich noch an Tier- und Sportfotografie interessiert, könntest du dir noch ein Telezoom dazu kaufen. Bezogen auf das APS-C-Format wären also Brennweiten-Bereiche von 17 – 55 mm und 55 -200 oder 55 – 300 mm ausreichend.
Nimm nichts doppelt mit!
Ein weit verbreiteter Fehler ist es, Objektive mitzunehmen, deren Brennweiten-Bereich sich zum Teil auch in anderen Objektiven befindet. Solltest du also schon ein 10-24 mm Superweitwinkel eingepackt haben, musst du nicht noch zusätzlich ein Universalzoom mit 17 – 55 mm Brennweite mitnehmen. Die Überschneidung von 17 – 24 mm mm ist nicht notwendig und bringt eigentlich nur überflüssigen Ballast mit sich. Entscheide dich also im unteren Brennweiten-Bereich nur für eines dieser beiden Zooms.
Lass das Universalzoom weg und nimm ein Telezoom mit, dass etwa bei 55 mm beginnt. Für den Bereich zwischen 24 und 55 mm reicht es völlig aus, einen kleinen Schritt vor oder zurück zu machen. Wenn du dann noch ein 40 mm Makroobjektiv dabei hast, kannst du dieses für die Lücke zwischen 24 mm und 55 mm nutzen. Außerdem kannst du so die zweite Funktion, das Fotografieren im Makrobereich, direkt mitnutzen.
Nimm auch Objektive mit, die zwei Dinge können. Der Einsatz von lichtstarken Festbrennweiten ist besonders vorteilhaft. Wenn du solche Objektive mitnimmst, hast du nicht nur ein Objektiv für das Fotografieren bei Tageslicht, sondern direkt auch eines für das Fotografieren bei schlechtem, also wenig Licht.
Kaufst du dir ein Makroobjektiv von 100 mm Brennweite und Blende 2,8, ersetzt dir dieses praktisch ein Telezoom mit Blende 2,8 und 70 – 200 mm. Dabei ist es auch noch sehr viel kleiner und leichter als solche Telezooms. Zudem hat es noch den Vorteil, dass du damit auch im Nahbereich fotografieren kannst
Spar dir die Extreme!
Fast 100 Jahre lang in der Geschichte der Fotografie hatten Fotografen gar nichts anderes als Normalbrennweiten (35 mm). Aus heutiger Sicht und mit all den verschiedenen Brennweiten, die für uns heute normal sind, fast ein Fauxpas. Und trotzdem wurden damit wahrhafte Klassiker der Fotografie geschaffen!
Insofern wäre es sogar gar keine so schlechte Idee, eine Brennweite um die 35 mm zu besitzen – und gelegentlich nur damit loszuziehen. Große Künstler machen das auch heute noch.
Je weiter du von dieser Normalbrennweite abweichst in Richtung Weitwinkel (unter 17 mm) und Tele (über 300 mm), umso weniger häufig wirst du sie nutzen und umso größer, schwerer und auch sehr viel teurer werden solche Objektive.
Diese Objektive kosten nicht mehr, weil sie bessere Bilder machen, sondern weil sie in deutlich geringeren Auflagen produziert werden. Und natürlich auch, weil sie schwieriger zu entwerfen und herzustellen sind.
Brennweiten kürzer als 17 mm oder länger als 300 mm wirst du nur einen sehr geringen Teil deiner Shootingzeit benötigen. Aber herumtragen musst du sie 100 % der gesamten Zeit. Sie kosten außerdem mehr als andere Objektive und sind schwerer und größer.
Es macht also sehr wenig Sinn, extreme Brennweiten herumzutragen. Es ist natürlich cool, die Möglichkeit zu haben sie zu kaufen und sie in sehr speziellen Situationen einzusetzen. Aber wenn du besonders heiß auf diese Brennweiten bist, dann lass mich dir mal ein Profigeheimnis verraten: Selbst Profis besitzen solche Objektive nicht! Falls Sie ein Fisheye oder ein 400 mm mit Blende 2,8 brauchen, dann leihen Sie solche Objektive nur für einen Tag. Das ist dir zu teuer??! Kauf einfach nicht diese so selten einsetzbaren Objektive, dann hast du jederzeit das Geld für das Ausleihen!
Einsteiger in die Fotografie haben üblicherweise das Gefühl, sie bräuchten unbedingt solche Objektive. Doch je mehr du lernst, umso mehr realisierst du, dass ein Normalobjektiv für viele Fotos einfach perfekt geeignet ist. Voraussetzung ist natürlich, du lernst damit umzugehen und lenkst dich nicht ständig durch das Herumspielen mit anderen Objektiven ab.
Fazit
- Du brauchst nicht jeden einzelnen Millimeter Brennweite!
- Gib kein Geld für doppelte Brennweiten-Bereiche aus!
- Spar dir die extremen Brennweiten!
- DU machst das Foto, nicht dein Equipment!
Lass mich dir nun in paar konkrete Brennweiten-Empfehlungen für die verschiedenen, in Teil 1 vorgestellten Kamerasysteme geben.
Für das Vollformat kaufe dir ein Universalzoom von 24 – 70 mm und dazu ein Telezoom von 70 – 200 mm, wenn Tiere oder Sport dein Thema sind. Achtest du direkt darauf, dass diese Objektive recht lichtstark sind (Blende 2,8), dann benötigst du keine weiteren Objektive. Zumindest, solange du dich nicht spezialisieren willst.
Für APS-C-Kameras empfehle ich die Brennweitenbereiche 17 – 55 und 55 – 300 mm. Durch den Crop-Faktor hast du hier schon extrem lange Brennweiten, die auch auf Safaris vieles möglich machen. Möchtest du deine Kamera und ihre Grenzen etwas erweitern, empfehle ich dir noch eine lichtstarke Festbrennweite mit 35 mm (allgemeiner Einsatz) bzw. 50 mm (Porträt) dazu. Mit diesem Objektiv bist du bei sehr wenig Licht einsatzbereit und kannst Porträts mit einer sehr geringen Schärfentiefe machen.
Bei einer 4/3-Zoll-Kamera empfehle ich dir Brennweiten von 14 – 42 und 42 – 150 mm. Da diese Kameras einen kleinen Sensor besitzen, wäre hier ein besonders lichtstarkes Objektiv für Porträts und bei wenig Licht mit über 800 € schon extrem teuer. Solltest du also sehr gerne Portraits mit geringer Schärfentiefe oder in extrem schlecht beleuchteten Situationen fotografieren möchten, empfehle ich dir eher eine Kamera mit dem APS-C-Sensor. Da kosten Kamera und lichtstarke Festbrennweite weniger, als dieses Objektiv!!!
Bei den Kompaktkameras schließlich solltest du dich von vornherein für eine Kamera entscheiden, die einen möglichst großen Brennweiten-Bereich mitbringt. Achte besonders darauf, dass der Weitwinkel-Bereich nicht allzu schlecht ausgeprägt ist. Denn im Gegensatz zum Tele haben solche Kameras hier meist ihre Schwächen. Aber dafür glänzen Sie mit ihrer besonderen Stärke im Telebereich, denn es gibt Kameras mit unglaublich langen Brennweiten.
Nur wenn du dich auf bestimmte Nischen spezialisieren möchtest, brauchst du andere Brennweiten. Mit den oben genannten Brennweiten-Bereichen sind 99 % aller Fotografen üblicherweise völlig ausreichend ausgestattet. Nur als Profi mit Spezialaufgaben, oder aber wenn du dich wirklich stark spezialisieren möchtest, benötigt man andere Objektive.
Aber das ist wieder ein anderes Thema, zu dem bald ein neuer Artikel folgt.
Hat dir dieser Artikel weiter geholfen? Oder hat er dir vielleicht sogar geholfen, teure Fehlinvestitionen zu vermeiden? Dann hinterlasse jetzt einen Kommentar, denn ich freue mich immer, wenn ich helfen kann. 🙂