Aussagekräftige Fotos: Die Kunst, dich beim Fotografieren für eine Bildaussage zu entscheiden

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Warum du erst durch Mut zur Reduktion aussagekräftige Fotos machst

Die meisten Fotos scheitern nicht, weil zu wenig drauf ist.
Sie scheitern, weil zu viel drauf ist!

Nicht technisch. Sondern gedanklich.

Der Fotograf wollte das Licht zeigen. Und den Moment. Und die Atmosphäre. Und die Person.
Und hat dabei vergessen, dass ein Bild nie die Welt erklären kann – nur einen einzelnen Gedanken daraus.

Das ist das Dilemma vieler Hobbyfotografen: Sie sehen zu viel, fühlen zu viel und wollen alles behalten.
Aber wer alles festhalten will, verliert am Ende genau das, was aussagekräftige Fotos brauchen – eine Entscheidung.

Warum Unentschiedenheit Beliebigkeit erzeugt

In der Workclass sehe ich oft Bilder, die eigentlich alles richtig machen – und trotzdem nichts sagen.
Da stimmt die Belichtung, die Schärfe, die Perspektive. Aber das Bild bleibt unentschlossen.

Man spürt, dass der Fotograf sich nicht festlegen wollte.
Dass er lieber alles offen lässt, statt etwas wegzulassen.
Er wollte zeigen, wie es wirklich war – und hat dabei vergessen, dass Fotografie keine Dokumentation ist, sondern Interpretation.

Wer versucht, alles zu zeigen, zeigt am Ende nichts.
Klarheit entsteht nicht durch Addition, sondern durch Subtraktion.
Je mehr du zeigst, desto leiser wird deine Aussage.

Ich erinnere mich an ein Feedback in der Workclass:
Eine Teilnehmerin hatte einen Markt fotografiert – Farben, Menschen, Bewegung.
Sie wollte das „bunte Treiben“ zeigen.
Aber das Ergebnis war Lärm.
Beim zweiten Versuch fotografierte sie nur einen Verkäufer, sein Lächeln, seine Hände auf der Waage.
Plötzlich war das Bild ruhig. Und verständlich.

Eine klare Gestaltung macht auch ganz simple Motive sehr sehenswert. Bild von Jürgen auf Pixabay

Die Angst, das Falsche zu entscheiden

Entscheidungen sind in der Fotografie gefährlich, weil sie etwas ausschließen.
Und Ausschluss fühlt sich an wie Verlust.

Viele sagen mir:
„Aber das gehört doch auch dazu.“
„Ich wollte nichts abschneiden.“
„Ich konnte mich nicht entscheiden, was wichtiger ist.“

Diese Sätze sind nicht technischer, sondern emotionaler Natur.
Sie verraten die Angst, sich festzulegen – und damit zu irren.

Doch jede Aufnahme ist bereits eine Auswahl.
Ein Ausschnitt. Eine Richtung. Eine Behauptung.
Die Frage ist nicht, ob du entscheidest – sondern wie bewusst.

Eine Teilnehmerin fotografierte eine Straßenszene: Menschen, Fenster, Spiegelungen, Lichtreflexe.
Alles war interessant – aber nichts dominierte.
Beim zweiten Versuch nahm sie alles weg außer einer Hand, die sich in einem Fenster spiegelte.
Plötzlich war das Bild nicht leer, sondern still.
Und diese Stille machte die Geste umso lauter.

Wie Reduktion Energie freisetzt

Ein Teilnehmer fotografierte eine Gasse: Fahrräder, Pflanzen, Fenster, Schatten, Licht.
Alles war schön. Aber das Auge wusste nicht, wohin.
Beim zweiten Versuch blieb nur ein Fahrrad im Gegenlicht.
Und auf einmal war das Bild nicht ärmer, sondern stärker.

Reduktion ist kein Stilmittel, sondern eine Form der Konzentration.
Sie bündelt Energie.
Wenn du zehn Elemente entfernst, wirkt das elfte umso intensiver.
Wenn du den Lärm nimmst, wird die Stille deutlicher hörbar.

Viele Fotografen merken erst zu spät in ihrem Leben, dass Klarheit nicht durch Kontrolle entsteht, sondern durch Vertrauen:
Vertrauen, dass das Wesentliche trägt – auch ohne Dekoration.

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In einem aussagekräftigen Foto kann das Motiv wirken. Bild von Albrecht Fietz auf Pixabay

Aussagekräftige Fotos: Die Kunst der Entscheidung

Aussagekräftige Fotos entstehen in dem Moment, in dem du aufhörst, es allen recht zu machen!

Viele drücken ab, bevor sie entschieden haben.
Darum wirken ihre Bilder höflich, aber unentschlossen langweilig.
Man spürt, dass sie noch verhandeln – mit dem Motiv, mit sich selbst, mit der Angst, etwas zu verpassen.

Ein Teilnehmer sagte einmal in einem Workshop:
„Ich wollte nicht so konkret zeigen, was ich zeigen wollte, einfach nicht festlegen, was das Bild sein soll.“
Ich antwortete:
„Dann wird das Bild auch nicht festlegen, was es dir zurückgibt.“

Denn Klarheit ist sichtbar.
Ein entschiedenes Foto strahlt Ruhe aus.
Ein unentschiedenes wirkt unruhig, auch wenn es perfekt belichtet ist.

Ein gutes Foto ist wie ein klarer Satz: ein Gedanke, ein paar Worte, ein Punkt am Ende.

Wie du zur Klarheit findest

Wenn du das nächste Mal vor einem Motiv stehst, frag dich nicht:
„Was sehe ich?“
Sondern:
„Was fühle ich?“

Die Antwort zeigt dir, was bleiben muss – und was weg kann.
Wenn du Ruhe fühlst, brauchst du keine Bewegung im Bild.
Wenn du Einsamkeit fühlst, brauchst du keine Menschen.
Wenn du Weite fühlst, brauchst du keine Details.

Dein „Warum“ ist der Filter, durch den dein „Was“ entsteht.

Ich erinnere mich an eine Szene in der Workclass:
Ein Foto zeigte einen alten Mann auf einer Bank, eine Pfütze, ein Stück Himmel.
Ich fragte: „Worum geht’s hier?“
„Um den Moment der Ruhe.“
„Dann nimm den Himmel weg“, sagte ich.
Die Teilehmerin schaute mich verwirrt an. „Aber der Himmel ist doch schön.“
„Ja“, sagte ich. „Aber er ist hell. Und Helligkeit zieht den Blick auf sich. Wenn der Blick nach oben wandert, ist die Ruhe, die der Mann ausstrahlt, ganz einfach weg.“
Sie schnitt den Himmel ab. Und plötzlich blieb der Blick beim Mann. Bei der Stille. Bei der Ruhe.

Aussagekräftige Fotos brauchen Klarheit. Klarheit entsteht, wenn du dich traust, dich festzulegen!

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Gut fotografiert, werden auch Motive direkt vor deiner Haustüre zu echten Hinguckern. Du brauchst manchmal nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Einstellungen wählen. Bild von Nicky ❤️🌿🐞🌿❤️ auf Pixabay

Aussagekräftige Fotos: Wann ist ein Bild fertig?

Ein Bild ist fertig, wenn du weißt, dass nichts mehr fehlt – und nichts mehr stört.

Viele Fotografen suchen nach Perfektion.
Aber Perfektion ist tot.
Klarheit dagegen atmet – weil sie Mut braucht!

Und genau das ist der Punkt, an dem deine Fotografie erwachsen wird:
Wenn du nicht mehr alles zeigen willst, sondern das Richtige!

Doch dieses „Richtige“ zu finden, ist nicht nur Intuition.
Es ist mehr als Bauchgefühl.
Und genau das machen wir im DeepDive.

Im kommenden DeepDive „Klarheit in der Bildgestaltung“ zeige ich dir, wie du diese Fähigkeit systematisch entwickelst:
Wie du erkennst, welche Entscheidung dein Bild braucht.
Wie du dich traust, bewusst zu reduzieren.
Und wie du den Moment erkennst, in dem das Bild „spricht“.

Nicht durch Zufall, sondern durch Klarheit.

Vielleicht merkst du beim Lesen, dass es eine Entscheidung gibt, die du in deinen Bildern immer wieder vermeidest.
Das ist normal. Wir alle haben unsere blinden Flecken.
Die Frage ist nur: Willst du sie sehen?

13 Kommentare

  1. Hallo Karsten
    Danke, dein Artikel wäre ein Grund, alle meine Reisen nocheinmal anzutreten
    und mit diesen Erkenntnissen mit der Kamera festzuhalten.
    Die daraus entstehenden Bücher wären wohl der Hammer.

  2. Hallo Karsten. Ein durchaus interessanter Artikel. Leuchtet auch ein.
    Aber was ist – oder kann es sein ( ? ) wenn alles anders ist ?
    Chaos, schrille Farben, alles bunt, gefühlt tausende von Dingen, die in einem Bild zu sehen sind und dann:
    Bäm – das eine Teil. Der Blick wandert umher, weiß nicht, wo er zuerst Halt machen soll, wo er als nächstes hingeht. Und doch wird er geführt. „Heimlich“. Von einer Seite zur anderen. Von oben nach unten und dann auf einmal: Zack – da ist es. Das Ding, was den Betrachter magisch anzieht.
    Geführtes Chaos.
    Ist nur eine Theorie – aber irgendwie kann ich mir vorstellen: Gibt es doch.

    • Meine Gedanken dazu.
      Es ist in Ordnung Chaos zu fotografieren, wenn man Chaos zeigen will.
      Ob so ein Bild funktioniert hängt stark davon ab, ob der Betrachter sich Zeit für das Bild nimmt – In einer Ausstellung könnte es sein, in Sozial-Media eher nicht.
      Auch der Kontext könnte eine Rolle spielen, im Ramen (Thema einer Ausstellung oder im Web) von eindeutigen Bildern wird es als Chaos untergehen. Im Rahmen von subtilen Bilder, wo man weiss sich auf die Bilder einlassen zu müssen könnte es gut funktionieren.

    • Hallo Thomas!
      Ganz genau – und ich freue mich riesig über deinen Kommentar, denn du sprichst ein Prinzip an, das in der Fotografie zwar selten bewusst genutzt, aber in starken Bildern oft zu finden ist: Geführtes Chaos.
      Was auf den ersten Blick wild, laut oder zufällig wirkt, folgt bei genauerem Hinsehen oft doch einer inneren Logik – oder besser gesagt: einer visuellen Dramaturgie. Du hast das wunderbar beschrieben. Nicht das sofortige Erkennen steht im Mittelpunkt, sondern das Sich-Verlieren, das Herumtasten, das Sich-Wundern – und dann der Moment, in dem das Auge landet. Wie in einer Partitur: Dissonanz, Spannung, Auflösung.
      Das funktioniert allerdings nur, wenn der Fotograf (oder die Fotografin) diesen Effekt bewusst einsetzt. Wenn das Chaos kein Zufall ist, sondern ein Spannungsfeld bildet, das den Blick irgendwann zur Ruhe kommen lässt – auch wenn es zuvor auf Irrwege geschickt wurde.
      Das hat viel mit Rhythmus, Blickführung und visuellem Gewicht zu tun. Und du hast recht: Die Regel „Klarheit = Reduktion“ ist nicht die einzige Wahrheit. Manchmal entsteht Klarheit auch erst durch Kontrast zum Chaos.
      Dein Kommentar trifft also ins Schwarze. Oder sagen wir: ins laute, bunte Zentrum eines wilden, aber raffiniert komponierten Bildes.
      Danke dir! 🙂

  3. Hallo Karsten, ein Blog, der wertvoll für mich ist, genauso geht es mir auch. Mittlerweile hab ich mich auf Festbrennweite spezialisiert, man fotografiert einfach zielgerichteter, genauer. Und wenn doch noch was stört, kann man es in Lr noch beschneiden. Aber bis dahin ist schon noch ein Stück Weg.
    LG Thomas.

    • Hallo Thomas,
      danke für deinen Kommentar – und ja, das mit der Festbrennweite kann ich nur unterschreiben. Sie zwingt dich, dich zu entscheiden. Für einen Abstand, einen Bildausschnitt, eine Wirkung. Und dadurch wird das Fotografieren tatsächlich oft klarer und bewusster.
      Dass du trotzdem noch Raum fürs Beschneiden in Lightroom lässt, zeigt: Du nutzt die digitalen Möglichkeiten, ohne dich auf sie zu verlassen. Genau die Balance ist es, die langfristig weiterbringt.
      Freut mich, dass dir der Blog wertvoll erscheint – genau dafür schreibe ich ihn.

  4. Arno Frank: wer einen Mann an einer Bushaltestelle fotografiert, muss mehr fotografieren als einen Mann an einer Bushaltestelle.
    — das hat mich mein Theologieprofessor gelehrt, aber es ist nicht leicht umzusetzen

    • Hallo Erich!
      Das ist ein wunderbares Zitat – und ein tiefes dazu.
      Arno Frank bringt damit ziemlich treffend auf den Punkt, worum es in der künstlerischen Fotografie (und oft auch im Journalismus) geht: Es reicht nicht, zu zeigen was ist – sondern du musst zeigen, was es bedeutet.
      Dass du diesen Satz von deinem Theologieprofessor übernommen hast, ist bemerkenswert. Denn genau da liegt auch der Schlüssel: Du brauchst einen subjektiven Zugang, eine Haltung zum Gesehenen. Was macht diesen Mann an der Bushaltestelle für dich erzählenswert? Was willst du im Bild sichtbar machen – Einsamkeit? Hoffnung? Stillstand? Sehnsucht? Alltag?
      Und ja – das ist nicht leicht umzusetzen.
      Aber es ist vielleicht die wichtigste fotografische Frage überhaupt:
      Was erzähle ich über das hinaus, was einfach nur vor mir steht?
      Bleib dran. Solche Sätze prägen sich nicht nur ein – sie wirken nach. Oft ein Leben lang.

  5. Hallo Karsten! Mein Lieblingssatz in diesem Artikel ist, dass ein Bild „erwachsen wird“. Das beschreibt ziemlich gut meine eigene Sicht auf meine Fotos seit ich in der Workclass bin. Reduktion ist Klarheit! Danke für den Artikel! Liebe Grüße. Katja.

    • Hallo Katja,
      das freut mich sehr – und du bringst es wunderbar auf den Punkt:
      Reduktion ist Klarheit.
      Und Klarheit ist oft der Moment, in dem ein Bild „erwachsen“ wird – also seinen Platz findet, seine Haltung zeigt, seine Aussage schärft.
      In der Workclass hast du das immer wieder bewiesen. Und wie du selbst schon sagst: Mit der Zeit verändert sich der Blick auf die eigenen Fotos. Man wird wählerischer, bewusster – aber auch mutiger, Dinge wegzulassen.
      Danke für deine Rückmeldung – sie zeigt, dass der Artikel genau das ausgelöst hat, was ich mir wünsche.

  6. Hallo Karsten,
    Dein Artikel macht Lust auf mehr. Vor allem beim nächsten Mal nicht zu fragen: „Was sehe ich?“ Sondern:„Was fühle ich?“ hat mir gut gefallen. Denn genau das ist es doch, was es ausmacht, Klarheit zu finden.

    • Hallo Frank,
      das freut mich sehr – genau dieser kleine Perspektivwechsel kann Großes auslösen!
      „Was fühle ich?“ öffnet die Tür zur inneren Klarheit – und die wiederum wirkt sich direkt auf die Bildgestaltung aus.
      Danke dir für deinen Kommentar – und viel Freude beim nächsten Bild, das du nicht nur siehst, sondern fühlst.

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